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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 10.12.2003
Aktenzeichen: 3 Sa 395/03
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 296 | |
BGB § 315 | |
BGB § 611 | |
BGB § 615 | |
BGB § 622 Abs. 3 | |
BGB § 623 |
Zur Beendigung des Annahmeverzuges muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen und ihm Arbeit zuweisen. Es reicht nicht aus, dass auf die Existenz eines Arbeitsplatzes verwiesen und im Übrigen zum Ausdruck gebracht wird, man werde den Arbeitnehmer schon "irgendwie" beschäftigen. Die zugewiesene Arbeit ist zu konkretisieren, damit der Arbeitnehmer überprüfen kann, ob der Arbeitgeber sein Weisungsrecht zulässig ausübt. Der Arbeitnehmer schuldet nur vertragsgemäße Arbeitsleistung.
Aktenzeichen: 3 Sa 395/03
Verkündet am 10.12.2003
Im Namen des Volkes Urteil
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des auf die mündliche Verhandlung vom 10.12.2003 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Heimann als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter Dieter Pemöller als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter Michael Rißling als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 22.5.2003 - 3 Ca 54e/03 - abgeändert.
1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 1.045,26 brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.03 zu zahlen.
2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten erster Instanz trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug.
Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsvertrag. Danach sollte die Klägerin mit Wirkung ab 01.12.2002 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden und einer Vergütung von 2.000,00 Euro brutto monatlich zzgl. 260,00 Euro Fahrgeld bei dem Beklagten als Rechtsanwaltsfachangestellte mit Einsatzort in I... tätig werden. Gem. Ziff. 4 des Vertrages war eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart, während der das Arbeitsverhältnis mit täglicher Kündigungsfrist kündbar sein sollte.
Die Klägerin nahm am Montag, d. 02.12.2002, die Arbeit bei dem Beklagten auf. Nach 4 Stunden Arbeitszeit kündigte der Beklagte mit sofortiger Wirkung das Arbeitsverhältnis. Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.12.2002 wies die Klägerin auf die Kraft Gesetzes geltende Kündigungsfrist von 2 Wochen bei vereinbarter Probezeit hin und bot ihre Arbeitskraft an. Der Beklagte akzeptierte die gesetzliche Kündigungsfrist, erklärte mit Schreiben vom 04.12.2002 die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung und teilte u. a. zum Arbeitskraftangebot der Klägerin folgendes mit:
"Sollte sie irgendwelche Gehaltsansprüche geltend machen, so teilen wir ihr mit, dass bis zum Ablauf der von ihr selbst errechneten Kündigungsfrist zum 15. Dezember 2002 wir geeignete Arbeiten für sie haben (großes Betriebsgelände), die ihrem tatsächlichen Ausbildungs- und Wissensstand entsprechen.
Sie kann jederzeit, wenn sie meint, sie müsse Arbeitsentgelt geltend machen, sich hier pünktlich um 8.00 Uhr zur Arbeit melden." (Bl. 9 d. A.)
Ferner heißt es in seinem Schreiben vom 05.12.2002:
"Selbstverständlich ist Frau H., wenn sie Vergütungsansprüche geltend machen will, verpflichtet, sich bei uns einzufinden, um ihre Restarbeitszeit abzuleisten. Das Betriebsgelände umfasst z. B. 18 Räume, in denen wir sicherlich einen finden, in dem sie ein angemessenes Arbeitsklima vorfindet und ihre angeblichen Fähigkeiten voll entfalten kann." (Bl. 16 d. A.)
Die Klägerin erschien nicht zur Arbeit. Der Beklagte leistete keinerlei Vergütung. Daraufhin machte die Klägerin mit der vorliegenden Klage Vergütungsansprüche für die Zeit vom 01. bis 16.12.2002 geltend.
Der Beklagte legte nach gerichtlicher Auflage vom 10.02.2003 die Arbeitsmöglichkeiten für die Kläger wie folgt dar:
"Die Arbeitsmöglichkeiten in den genannten Räumlichkeiten sind dadurch geprägt, dass in jedem Raum ein von der ...bank Schleswig-Holstein angeschaffter Schreibtisch mit einem fünfbeinigen Stuhl steht. Alle Räume sind computerkabelvernetzt und verfügen über Telefonanschlüsse.
Es ist also möglich, dort ausreichend Arbeit zu finden.
Alle Räume sind mit mindestens zwei Taghell-Lampen ausgestattet und haben noch Lampen am jeweiligen Tisch" (Bl. 23 d. A.).
Mit Urteil vom 22.05.2003 hat das Gericht der Klage im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, der Beklagte habe sich in Annahmeverzug befunden, da er der Klägerin keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz bereitgestellt habe, welcher sich auf die geschuldete Arbeit beziehe. Daher schulde er die einzelvertraglich vereinbarte Vergütung. Hierzu gehöre auch die Fahrtkostenpauschale, da es sich insoweit um eine Leistung mit Entgeltcharakter unabhängig vom tatsächlichen Aufwand handele.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte form- und fristgerecht Berufung ein. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt im Wesentlichen vor, in dem der Kündigung vorausgegangenem Gespräch vom 02.12.2002 habe die Klägerin u. a. gesagt, sie halte es für besser, dass sie sofort gehe. Hierin sei eine fristlose Eigenkündigung sowie eine beharrliche Arbeitsverweigerung zu sehen. Annahmeverzug sei nicht gegeben, da die Klägerin trotz seiner Schreiben vom 04. und 05.12.2002 nicht zur Arbeit erschienen sei. Funktionsfähige Arbeitsplätze seien vorhanden gewesen. Im Übrigen sei das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten worden.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteiles des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 22.05.2003 die Abweisung der Klage.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil in jeder Hinsicht für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache konnte sie jedoch mit einer geringfügigen Ausnahme bzgl. des anteiligen Fahrgeldes keinen Erfolg haben.
Mit zutreffender und überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht der Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum 01.12. bis 16.12.2002 zugesprochen.
1) Zwischen den Parteien war eine Probezeit vereinbart. Folglich konnte das Arbeitsverhältnis gem. § 622 Abs. 3 BGB nur mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden. Daher konnte die Kündigung des Beklagten vom 02.12.2002 das Arbeitsverhältnis der Klägerin erst mit Ablauf des 16.12.2002 beenden.
2) Es kann dahinstehen, welchen konkreten Inhalt das dem Ausspruch der Kündigung vorangegangene Gespräch gehabt hat. Selbst wenn die Klägerin geäußert haben sollte "unter diesen Umständen halte sie es für besser, dass sie sofort gehe", stellt dieses keine fristlose Eigenkündigung dar. Gem. § 623 BGB bedürfen Kündigungserklärungen der Schriftform. Eine schriftliche Eigenkündigung der Klägerin liegt nicht vor.
3) Eine beharrliche Arbeitsverweigerung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Klägerin hat den Arbeitsplatz nicht gegen den Willen des Beklagten verlassen.
4) Die vertraglichen Beziehungen sind auch nicht durch die seitens des Beklagten ausgesprochene Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung rückwirkend beseitigt worden. Der Beklagte hat das Vorliegen der Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung durch die Klägerin nicht dargetan.
5) Der Beklagte befand sich in Annahmeverzug. Die Klägerin war nicht verpflichtet, ihre Arbeitskraft nach näherer Maßgabe der §§ 294 ff. BGB anzubieten. Hat ein Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen, muss er zur Beendigung des Annahmeverzugs den Arbeitnehmer zur Wiederaufnahme der geschuldeten Arbeitsleistung auffordern. Es entsteht entsprechend § 296 BGB eine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber gerät grundsätzlich in Annahmeverzug, wenn er dem Arbeitnehmer unberechtigterweise kündigt, ohne dass es eines Arbeitsangebotes des Arbeitnehmers bedarf. Zur Beendigung des Annahmeverzuges bedarf es einer Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, deren Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, nämlich der Einrichtung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und der Zuweisung der Arbeit, damit der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann (BAG v. 09.08.1984 - 2 AZR 374/83 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB m.w.N.). Der Arbeitgeber muss mithin dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen und ihm die Arbeit zuweisen (BAG v. 09.04.1987 - 2 AZR 280/86 = AP Nr. 1 zu § 9 AÜG). Diese Grundsätze sind auch auf die Fälle zu übertragen, in denen die Kündigung des Arbeitgebers zwar grundsätzlich wirksam ist, der Arbeitgeber jedoch eine zu kurze Kündigungsfrist gewählt hat. Auch in diesem Falle gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu erkennen, dass er nach Ablauf der von ihm genannten Kündigungsfrist auf die Dienste des Arbeitnehmers verzichtet. Dementsprechend muss er von diesem Zeitpunkt an bis zum Ablauf der rechtlich gebotenen Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz einrichten und ihm Arbeit zuweisen, will er nicht in Annahmeverzug geraten (BAG v. 09.04.1987 - 2 AZR 280/86 unter B I 2). Dazu muss der Arbeitgeber den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen näher konkretisieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug (BAG v. 07.11.2002 - 2 AZR 650/00 = AP Nr. 98 zu § 615 BGB). Die geschuldete Arbeitsleistung bestimmt sich nach der zulässigen Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers im Sinne von § 315 BGB (Preis, Erfurter Kommentar, 4. Auflage RnZiff 18 zu § 615 BGB). Der Einsatz der Arbeitnehmerin muss durch das Direktionsrecht gedeckt sein. Abstriche von vertraglichen Rechten muss der Arbeitnehmer nicht in Kauf nehmen. Gerade dies zu verhindern, ist der Sinn des vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsatzes, dass der Annahmeverzug allein durch eine Rückkehr des Arbeitgebers zu dem ursprünglichen Vertragszustand beseitigt wird (vgl. BAG v. 07.11.2002 - 2 AZR 650/00 a.a.O.).
6) Diesen Voraussetzungen hat der Beklagte nicht Genüge getan. Er hat zwar substantiiert dargelegt, dass ein Arbeitsplatz in Form eines Schreibtisches, ausgestattet mit Computer, Licht und Stuhl etc. für die Klägerin zur Verfügung stand. Er hat ihr jedoch keine konkrete Arbeitsleistung als Rechtsanwaltsfachangestellte zugewiesen. Gerade angesichts seiner schriftlichen Äußerungen war dieses unerlässlich, denn er hat den Eindruck erweckt, die Klägerin zwar "irgendwie", jedoch nicht vertragsgemäß als Rechtsanwaltsfachangestellte beschäftigen zu wollen. Anders kann seine Äußerung, " man werde geeignete Arbeiten für sie haben (großes Betriebsgelände), die dem tatsächlichen Ausbildungs- und Wissensstand der Klägerin entsprechen", nicht verstanden werden. Gleiches gilt bezüglich seiner schriftlichen Äußerungen vom 05.12.2002, mit denen er auf "angebliche Fähigkeiten" der Klägerin verweist, die sie "auf dem 18 Räume umfassenden Betriebsgelände voll entfalten könne". Damit hat der Beklagte der Klägerin gerade keinerlei Arbeit zugewiesen und somit der Klägerin ausdrücklich die Möglichkeit genommen, zu überprüfen, ob eine zulässige Ausübung des Direktionsrechts im Sinne von § 315 BGB vorliegt oder nicht. Aus diesem Grunde ist durch die Schreiben des Beklagten, unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtssprechung der Annahmeverzug des Beklagten nicht beendet worden.
7) Der Beklagte schuldet daher gem. § 615 Satz 1 in Verbindung mit § 611 BGB die vertraglich vereinbarte Vergütung. Vereinbart war ein Entgelt in Höhe von 2.000,00 Euro brutto. Für 16 Kalendertage ergibt sich eine anteilige an die Klägerin zu zahlende Vergütung in Höhe von 1.032,26 Euro brutto.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sowie des Arbeitsgerichtes ist jedoch darüber hinaus Fahrgeld nur für den 02.12.2002, nicht jedoch aus Annahmeverzug auch für den Zeitraum 03.12. bis 16.12.2002 geschuldet. Annahmeverzug erfasst nur die Leistungen, die Entgeltcharakter haben. Fahrtkosten haben grundsätzlich keinen Entgeltcharakter, sondern sind davon abhängig, ob gearbeitet wird (Preis, Erfurter Kommentar, 4. Auflage Rn Ziff. 78 zu § 615 BGB). Aufwendungen sind der Klägerin bezogen auf Fahrtkosten nur am 02.12.2002 entstanden. Bei einem monatlich vereinbarten Fahrgeld von 260,00 Euro und 20 Arbeitstagen im Dezember ergibt sich damit ein auszuurteilender Fahrgeldanspruch für einen Tag á 13,00 Euro, die dem Betrag von 1.032,26 Euro hinzuzurechnen sind. Soweit weitergehendes Fahrgeld erstinstanzlich zugesprochen wurde, war das Urteil abzuändern.
8) Insgesamt war daher, wie geschehen, zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, sodass die Revision nicht zuzulassen war.
Ende der Entscheidung
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